Montag, 5. Januar 2009

"Besuchereintrag": Von Capella nach Llurona, Juni bis August 2008

Schon bei meiner allerersten Reitstunde vor ungefähr 17 Jahren habe ich, so glückselig ich danach auch war, gespürt, dass weder das Reiten im Viereck, noch Springturniere oder andere Wettkämpfe meine Erfüllung bringen. Geträumt habe ich vom Gelände, von der Stille, der Ruhe, dem Einssein mit Pferd und Natur...
So habe ich die letzten 15 Jahre mit Smokie, Bärli, Nashim und bis zum heutigen Tag mit Strolchi geteilt, um heimische Gefilde zu erkunden. Fasziniert war ich von Flos Plan, mit seiner tierischen Crew nach Spanien zu wandern. Wie oft habe ich an sie gedacht und mich in Gedanken auch auf die Reise begeben! Als Flo mich eingeladen hat, ihn ein Stück auf seiner Tour zu begleiten, habe ich keine Sekunde gezögert.
So begaben wir uns (das sind Natan und ich, Jan und Eva mit dem kleinen Jason und ihren Hunden Luca und TinTin) also Ende Juni auf den Weg gen Süden. Noch glaubten wir, dass Evas alter VW-Bus seine Kapazitätsgrenze mit vier Menschen und drei Hunden an Bord erreicht hätte – später, zusätzlich mit Flo, Sina und Arana im Schlepptau, wurden wir eines Besseren belehrt. Schon unsere Übernachtungsplätze auf dem Weg durch Frankreich und Spanien, die Eva und Jan mit einem untrüglichen Instinkt aufspürten, waren so schön, dass sie einen gut über die vielen Stunden Autofahrt hinwegtrösteten.
Dann trafen wir in einem kleinen Ort namens Capella in der Nähe von Huesca endlich Flo und seine Rasselbande. Unsere „Reisegruppe“ für die nächsten zwei Wochen war komplett! Die nächsten paar Tage brachten wir auf dem Hof eines spanischen Schweinebauern damit zu, uns an uns (um nicht zu sagen an fremde Welten ;) und die Hitze zu gewöhnen, zu baden, die Zeit zu genießen, die Pferde zu beschlagen und uns zu überlegen, wie wir das Gepäck für fünf Menschen und fünf Hunde auf zwei Pferde packen. Mit dem Ergebnis, dass wir in der Zeit weniger zwei bepackte Pferde als zwei bepferdete Gepäcke hatten! Aber Furibondo und Merlin trugen es mit Fassung (im wahrsten Sinne des Wortes!). Für Notfälle hielten wir Merlins Sattel zum Reiten frei, aber da die Pferde schwer genug bepackt waren, beschossen wir, nur zu Fuß zu laufen. So starteten wir also einen ersten Testmarsch nach Puertaspana. Die Mitte eines Baumkreises auf der Spitze eines Berges neben dem verfallenen Dorf erschien uns als prädestinierter Übernachtungsplatz. Und dann probten wir auch gleich mal den Ernstfall (wie sich das für einen Testmarsch eben gehört): Wie bekommt man überall verstreutes Gepäck, Lebensmittel, Klamotten und Sattelzeug trockenen Fußes in zwei Zelte, die noch nicht aufgestellt sind, wenn ohne Vorankündigung ein Wolkenbruch herniedergeht?
Unsere nächste Station waren Knut und seine Frau Bego. Anstatt unsere Badeseepläne zu verwirklichen, mussten wir an diesem Tag eine Suchaktion nach Luca und TinTin starten, die Flo und mir auf sonderbare Weise abhanden gekommen waren. Zum Glück waren wir erfolgreich und feierten das am Abend ausführlich mit unseren Gastgebern!
Nach der Variante „Hunde weg“ mussten wir ein paar Tage später leider auch noch die Variante „Eva und Jason weg“ erfahren, was sich als noch weniger witzig entpuppte. Wir brachen spät auf an diesem Tag, waren länger als gedacht in der Stadt und durch Kulturland unterwegs, so dass es schon dämmerte und die Zeit drängte, einen Übernachtungsplatz zu finden. Jason quängelte und Eva blieb mit ihm ein Stück zurück und wir anderen suchten ein Stück voraus schon mal nach einer geeigneten Stelle. Die erste Wegabzweigung, die wir nahmen, war für alle Beteiligten noch klar, die zweite nicht. Als UNS das aber klar wurde und weit und breit keine Eva mehr zu entdecken war, rannten Flo und Jan – mittlerweile in völliger Dunkelheit – in entgegengesetzte Richtungen los, um die beiden zu finden, während ich mit den Pferden und Hunden die Stellung hielt. Bis wir schließlich doch wieder alle vereint waren, ist es mir wie eine Ewigkeit vorgekommen.
Weiter ging unsere Reise über die netten kleinen Ortschaften Bellestar und La Puebla de Fantova zum Castell Fantova, wo wir zu Füßen der alten Burg einen wunderbaren Zeltplatz fanden. Nur die einzige und jeden Tag von Neuem alles entscheidende Frage: Gibt es Wasser? Zum einen müssen die Pferde mindestens zweimal am Tag genügend gutes Wasser bekommen, zum anderen brauchen auch wir fünf Menschen und fünf Hunde ca. 15 l Wasser pro Nacht (incl. Kochen, Spülen, Trinken,...) Außerdem sehnten wir uns alle nach Abfrischung, obwohl wir über Mittag an einem ruhigen Schattenplatz Pause gemacht hatten. Wir hatten Glück: Ganz in der Nähe war eine Quelle mit temperaturmäßig nicht ganz badewannentauglichem, aber dafür umso saubererem Wasser. Wir zögerten nicht lange und veranstalteten eine lustige Dusch- und Waschaktion. Dass wir dabei unsere Klamotten und Waschsachen einfach irgendwo auf der Straße verteilt hatten und die Pferde schon mal weitergegangen waren, um besseres Futter zu finden, wurde uns erst klar, als ein Autofahrer irritiert von unserer chaotischen Straßensperre und unserem noch chaotischeren Anblick anhielt.
Nach einer langen Teerstraßenetappe wurden wir am nächsten Tag mit einem umso idyllischeren Nachtplatz belohnt: sattes Grün für die Pferde, duschtauglicher Wasserfall für uns, ein kleiner Bach, keine Menschenseele weit und breit - außer die Reiter vom Casa Colomina, die wir von weitem hörten und die uns am nächsten Morgen zum viiiiieeeel Essen einluden. So viel, dass wir unsere trägen Körper erst am Nachmittag weiterschleppen konnten :) und zwar bis zum Barranco Santistebe, wo ein verwunschener Märchengarten zum Übernachten einlud. Die Übernachtungsplätze, von denen ich hier immer wieder spreche, lassen sich kaum in Worte fassen und auch die Bilder geben nur eine Idee von der Realität. Während ich dies Wochen später zu Papier (Computer) bringe, sehe ich jeden einzelnen Platz im Geiste vor mir, habe den Duft nach wildem Thymian und Rosmarin in der Nase, höre das Plätschern des Baches - und bin zurück auf der Reise.
Aus zeitlichen Gründen beschlossen wir tags darauf, das Örtchen Cajigar ohne Aufenthalt hinter uns zu lassen. Und das, obwohl Flo von Berta ein Kaffee versprochen war! Die Spanierin hatte Flo vor unserer Ankunft zweimal getroffen und ihn herzlich eingeladen. Sobald wir den Ort passierten, war die erste Person, der wir in die Arme liefen - Berta. Gerne nahmen wir dann doch ihr Angebot an, auf ihrem Anwesen außerorts zu übernachten. Noch ist es – abgesehen von den tibetischen Gebetsfahnen – schwer vorstellbar, wie die Ruine in traumhafter Landschaft als ihr buddhistisches Zentrum aussehen wird.
Nun steuerten wir Arén an, um in dem Städtchen unsere Vorräte aufzustocken. Sauerteigansatz, Mehl, Nudeln, Salz, Öl, Knoblauch, Avocados, Kaffee und Milch gehörten zu unserer (fast) dauerhaften Ausstattung. Auf Flos Benzinkocher kochten wir uns dann Ciabatti oder Pasta, oft mit Wildkräutern und -gewürzen, über die Flo gut Bescheid weiß und die eine gute Energiequelle darstellen. Da uns auch immer wieder das eine oder andere Lebensmittel unterwegs ausging, waren wir darauf angewiesen, auf Fincas oder in kleinen Dörfern nach Essen zu fragen. Was anfangs so schwerfiel, wurde mit viel Hilfsbereitschaft belohnt. Fragst du nach einem Kilo Mehl oder Hundefutter, gehst du häufig mit zwei. Und mit Pfirsichen und Käse und Butter und Eiern... Ja, und die Geschichte mit den Eiern: letztendlich wurde die Suche nach dem/der Schuldigen (Hund?/Hündin?) für regelmäßigen Eierschwund in größeren Mengen aus Mangel an Beweisen eingestellt.
In Arén angekommen wurden wir mit uns nicht ganz nachvollziehbaren Argumenten von einem aufgebrachten Bauern von seinem abgemähten Wiesenrand verscheucht. Scheinbar musste er sich nach dem Ärger erst mal sammeln und feststellen, dass alles gar nicht so schlimm war, denn später kam er zurück und brachte uns freundlich zu einem anderen Platz, der so ideal war, dass wir ein paar Tage dort blieben und uns den Salat schmecken ließen, den er uns noch geschenkt hatte. Und die Pferde freuten sich über 200 Meter von ihm geschenktes Zaunband. Obwohl wir auch seine Frau noch öfters in der einzigen Tienda (Tante-Emma-Laden) des Orts aufsuchten, schienen die beiden bis zuletzt nicht hinter die Familienverhältnisse unserer Truppe gestiegen zu sein. Der Bruder vom Bruder der Schwester ist der Partner der Schwester und das arme Kind hat eigentlich gar keinen Papa. Hää?
Da sich über die letzten beiden Wochen herausgestellt hatte, dass unser aller Vorstellung von der Reise nicht unter einen Hut zu bekommen ist, wanderten wir ab nun auf getrennten Wegen weiter: Flo, Sina, Arana, Merlin, Furibondo, Natan und ich zusammen. Eva, Jason, Jan, Luca und TinTin holten den VW-Bus. In ein paar Wochen wollten wir uns alle in Llurona wieder treffen!
Jetzt endlich zu Pferd unterwegs zu sein, war das höchste der Gefühle! Nach drei Tagen in Aulàs, einem von Belgiern, Österreichern, Holländern, Norwegern, usw. bewohnten und wieder errichteten Dorf, ritten wir weiter nach Tremp. Das war einer der wenigen Tage, an denen weder Kompass, noch Karten, noch Wegweiser hilfreich waren. Am ersten Wegweiser war die Strecke nach Tremp 17 km, am zweiten, nach zwei Stunden Marsch in die richtige Richtung, 32 km. Auf den Karten waren nur halb so viele und halb so lange Serpentinen eingezeichnet wie in Wirklichkeit. Und der Kompass wollte sowieso immer mal wieder an den Atlantik anstatt ans Mittelmeer... Zunächst war das alles schön und gut, denn die Landschaft, die wilde Natur, trösteten wieder über jede Unwägbarkeit hinweg, aber die letzten zwei Stunden vor Tremp, das wie eine Fata Morgana vor uns lag und einfach nicht näher kommen wollte, waren haarig. Denn wir und v. a. die Tiere hatten DURST!
Nach einer Nacht bei David und seinen beiden Araber-Mix-Stuten ging es früh morgens auch schon weiter zum Pantà de Sant Antoni, einem der riesigen Stauseen entlang unserer Strecke. Da die Sonne an diesem Tag wieder sehr heiß vom wolkenlosen Himmel brannte und das türkisblaue Wasser zum Schwimmen einlud, machten wir aus unserer Mittagspause am Pui de l’Annell gleich einen ganzen freien Tag, den wir mit Waschen, Schwimmen, Schreiben, „Der Abenteurreiter – in elf Jahren zu Pferd von Feuerland nach Mexico“-Lesen, Pasta mit Wildkräutern-Essen, Faulenzen, Massage, In-den-Sternenhimmel-Kucken und sicher – wie so oft – auch wieder mit ein bisschen Diskutieren verbrachten. Furibondos Satteldruck hatte sich auch wieder verschlimmert und wir probierten ein paar neue Woilach-Falttechniken aus, um die Sattellage zu schonen.
Über die Örtchen Aramunt und Pessonada starteten wir in eine der beeindruckensten Etappen unserer Tour: Nach einem steilen Anstieg reiten wir entlang des Fußes einer ca. 50 m hohen Steilwand aus rotem Fels (Serra da Pessonada), begleitet von den Rufen der Geier, die über uns ihre Brutplätze haben. Weiter in sengender Hitze, durch ein paar Kuhzäune, in das Gebiet des Reserva Nacional der Serra de Beaumort, in dem uns ausgedehnte Pinienwälder ein wenig Schatten spenden. Noch nach Stunden sehen wir durch das Tal inmitten der beiden rechts und links hoch aufragenden Gebirgszüge zurück zum Stausee. In regelmäßigen Abständen konnten wir an Quellen unsere Wasservorräte aufstocken und uns abfrischen! Und – absolute Ruhe. Nichts außer uns, zwei Menschen, zwei Pferde, drei Hunde – allein auf dieser wunderbaren Welt.
Bisher waren wir zu meiner großen Erleichterung von ernstzunehmenden Gewittern verschont geblieben. Deshalb lag unsere Entscheidung, das Zelt diese Nacht mal nicht aufzubauen (das ist in spanischen Nationalparks offiziell nicht erlaubt), nahe. Nachts wachte ich dann plötzlich vom Gerüttel eines zitternden Etwas neben mir auf. Natan schlotterte am ganzen Körper. Schlaftrunken richtete ich mich auf und wäre mir nicht schlagartig bewusst geworden, dass wir kein Dach überm Kopf hatten, wäre dieses Naturschauspiel sicher weiterhin faszinierend zu beobachten gewesen. Sattdessen weckte ich schleunigst unseren „Routinier“ Flo, der in Windeseile das Zelt aufstellte, während die von tiefrot über knallorange zu giftig lila, ununterbrochen von Blitzen durchzogene, Gewitterfront auf uns zu tobte. Was für mich und die Hunde beunruhigend war, das Knallen walnußgroßer Hagelkörner gegen die Zeltplane und das Gewitter ganz nah, veranlasste die Pferde, sich gegen den Wind unter einen Baum zu stellen und mit einer Seelenruhe abzuwarten, ein Verhalten, das mich wieder einmal staunen ließ, wie sehr sie doch Geschöpfe der Natur sind.
„Wie kommen wir denn da hoch?“, überfielen wir - zu diesem Zeitpunkt noch ungebetene Gäste - Domi in ihrem wunderschönen, weit über der Straße gelegenen Heim bei Boixols. Doch schnell war klar, dass Casa Faidella einer jener Orte ist, an denen man angekommen ist, ohne vorher gewusst zu haben, dass man immer dorthin wollte. Ein Ort der Ruhe und der Energie, die ich auch jetzt noch spüre – und mich zurücksehne. Auch in den folgenden Wochen haben wir immer wieder gute Gründe gehabt (um nicht zu sagen gesucht und gefunden), zu Domi und Michael zurückzukehren: Geschichten aus ihrer eigenen Reisezeit zu lauschen; das Gepäck und Furibondos Sattel, die wir zurückließen, um eine Zeit lang seine Sattellage zu schonen, wieder zu holen; Kalanki, das Fohlen, zu erziehen; Ausflüge ins „Hochgebirge“ und zur Kapelle und Stoppelhoppel auf dem Rücken meines Traumpferdes Silvia zu machen; Energie zu tanken...
Ja, und die Energie dieses Aufenthalts brauchten wir auch für die nächste Nacht in Col de Nargó. Mücken über Mücken! Skandinavien im Sommer ist nichts dagegen.
Übermüdet flüchteten wir uns auf die nächste Etappe. Durch Tunnels, vorbei an Mérens-Pferden und einer Gruppe katalanischer Riesenesel, dem Wahrzeichen der Provinz, durch Perles, Alinya, Cambrils, vorbei an interessanten Gebirgsformationen und einem Wasserfall, nach einem Wildkirsch-Picknick kamen wir nach Odèn, wo wir vor der nächsten Tagesetappe bei den Besitzern einer idyllisch gelegenen Pension noch einmal einkaufen konnten und einen schönen Übernachtungsplatz auf einem kleine Hügel zugewiesen bekamen. Dann erreichten wir, nach einem anstrengenden Marsch auf vielbefahrener Teerstraße, die Abzweigung zu Uli. Da wir wussten, dass wir dort auf jeden Fall ein paar Tage rasten oder ich die Reise in dieser Form aufgrund von, nennen wir es übermäßigem zwischenmenschlichen Konfliktpotentials, sogar beenden würde, schonten wir die Pferde auf diesem Aufstieg nicht wie sonst, wenn wir ausschließlich im Schritt gingen. Alle Beteiligten, wir, Merlin und Furibondo und die Hunde hatten so Spaß daran, den Weg bis zum Puig Agilar hochzuheizen!
Knapp eine Woche genossen wir die Zeit mit Uli und Kati und all ihren Gästen und Tieren, durchkletterten den Schmugglerpfad, ritten in „Florians“ Tal, machten Musik und Ausflüge in das Städtchen Berga.
Wieder unterwegs fanden wir einen traumhaften, inmitten von Kuhherden wie für uns schon eingezäunten Übernachtungsplatz in Peguera, einem verlassenen Pyrenäenbergdorf, das angeblich außer uns auch noch ein Scheich sehr schön fand und es kurzerhand gekauft hat. Jeder Engstelle (siehe Foto 293 bis 295) trotzend landeten wir dann auf dem Distanzreit- und Araberzucht-Hof von Bernard in Berga. Die Scheichs scheinen in dieser Ecke Spaniens sehr aktiv zu sein, denn wie Bernard uns erzählte hat er sich sein Häuschen aus dem Erlös eines Pferdeverkaufs an einen Scheich hingestellt. Nachdem Flo eine Zeit lang fassungslos beobachtet hatte, wie sein vermeintlich boxenscheues Pferd seine vier Wände sichtlich genoss, konnten auch wir auf der Spitze eines Hügels mit Blick auf die Lichter Bergas unser Nachtlager aufschlagen. Bevor es am nächsten Morgen weiterging wurden wir noch von Josep, Bernards Tierarzt, mit typisch katalanischem Frühstück verwöhnt: zerquetschte Tomaten mit Olivenöl auf Baguette und Rotwein. Josep nannte uns noch Name und Wohnort von Bekannten, die in La Quar eine Käserei besaßen. Also steuerten wir auf schönen Wegen durch Waldgebiet bei interessanten Gesprächen über den Unterschied zwischen Trieb und Instinkt (ich weiß ihn bis heute nicht wirklich :-) und die möglichen Fehlerquellen der Zeitrechnung (ist heute nicht erst gestern?) das kleine Nest und die Käserei als nächsten Übernachtungsplatz an. Dort fanden wir Monse in ihrem Garten vor und stellten uns kurz vor, was wir tun und was wir wollen und dass uns Josep schickt. „Ach, ihr seid das.“ Kam da zur Antwort – als kämen täglich zehn schwerbepackte Zweiergruppen mit zwei Pferden und drei Hunden an ihrem Haus zur Auswahl vorbei. Und sie wisse nicht von Josep, dass wir kämen, sondern von Ernst, Ulis Nachbarn, er hätte sie angerufen und uns angekündigt, wovon wir wiederum nichts wussten. Monses Käse, Joghurt, Salat und Kaffee waren Gold wert!
Oh, wie schön ist La Molina – wenn man nach stundenlangem Umweg endlich einmal hingefunden hat. Aber da wir unterwegs Ciabatti gebacken und uns bei einem Bad im Fluss abgefrischt und mit den dort heimischen „Knabberfischen“, die unsere Zehen total toll fanden, gespielt hatten, waren wir für diese Etappe und den weiteren Weg bis nach Arén zu Oso gestärkt, wo wir ein paar Tage blieben und Nadja und Co. trafen und ihnen beim spontanen Umzug von ein paar wenigen Dingen zu Pferd bzw. Esel halfen (siehe Fotos).
In Vallespirans haben wir uns dann bei Daniel eingenistet. Er war zwar leider nicht da, als wir kamen und unser Zelt vor seine Haustür setzten, aber Flo meinte, das sei schon in Ordnung, Daniel sei ein lockerer Typ. Zeigte sich auch darin, dass die Haustür nicht verschlossen war. Außerdem war ja Flo schon am Hinweg bei ihm über Nacht gewesen. Ich malte mir aus, dass ich schon ein bissl Schiss hätte, wenn vor meinem alleinstehenden Haus plötzlich mitten in der Nacht ein Zelt steht, aber Flos Einwand, dass Meuchelmörder tendenziell eher selten Zelte aufstellen, bevor sie zuschlagen, ließ schließlich auch mich schmunzelnd einschlafen. Als des Nachts dann nicht Daniel, sondern seine Freundin Dania, die Flo noch nicht vom Hinweg her kannte, auf den Hof fuhr, hatte sie, wie sie am nächsten Morgen gestand, schon auch die Meuchelmörder-im-Zelt-Variante im Kopf, diese uns gegenüber aber diplomatisch mit einem lässigen „Hola, que tal?“ quittiert.
Über Ripoll, San Bernabe de les Tenes, Vallfogona de Ripoll gings mit einem Übernachtungsstopp weiter nach Riudaura. Weil Sonntag und alle Kaffeevorräte aufgebraucht, waren wir etwas besorgt über die Neubeschaffung. (Es fragt sich immer leichter nach überlebensnotwendigen Grundnahrungsmitteln als nach Luxusartikeln. Für uns zählte Kaffee jedoch zu ersteren.) Also fassten wir uns bei erster Gelegenheit, einem Pferdehof, ein Herz und fragten, ob wir ein bisschen Kaffeepulver bekommen könnten. Zur Antwort kam „Jetzt sattelt erst mal eure Pferde ab“. Aus der Kaffeepause wurden zwei Tage herzlichster Gastfreundschaft bei Lluis und dem Rest.
Olot passierten wir diesmal ohne ernstzunehmende Zwischenfälle und wanderten über Castellfollit und Tortella und einen Zwischenstopp bei Dierk, dem Schuhmacher, Richtung Llurona.
Eine landschaftlich unvergessliche letzte Etappe, die frische Luft des Waldes, das vertraute Geklapper der Hufe, der mittlerweile so gewohnte Anblick der Hunde voraus und von Flo auf Merlins Rücken, von Furibondos Kopf und Hals unter mir, lassen mich zurückdenken an die letzten sieben Wochen.
An eine sehr intensive Zeit, eine Zeit der Gegensätze und der Gemeinsamkeit, eine Zeit der Ruhe und der Aufruhr, der Erholung und der Anstrengung, eine wunderschöne und eine schwierige Zeit, eine Zeit der Harmonie und des Unverständnisses, eine Zeit der Freude und der Traurigkeit, eine Zeit der Freundschaft und der Ignoranz.
Wir verlassen den Wald, überqueren die staubige Schotterpiste und reiten über eine Wiese eine Anhöhe nach oben – und blicken aufs Meer. Ein Traum. Danke, dass ich ihn erleben durfte!


Mit lieben Grüße in die Pyrenäen aus München!

Jutta